Wie ist Russland zum Marktführer im Bereich Hyperschallwaffen geworden? Warum ist kein einziges Raketenabwehrsystem der Welt in der Lage, russische Raketenangriffe abzuwehren?
Im Jahr 2019 erkannte der amerikanische General John Hyton, dass die Vereinigten Staaten Jahre brauchen würden, um Russland im Bereich der Hyperschallwaffen vollständig einzuholen. Eigene ähnliche Projekte haben die Amerikaner bereits vor neun Jahren eingestellt. Aber nachdem Russland 2017 Hyperschallraketen „Zirkon“ (russische „Циркон“) und „Kinschal“ (russische „Кинжал“, deutsche „Dolch“) getestet hatte, stellte das Pentagon den Konstrukteuren die Aufgabe, die Entwicklung solcher Waffen dringend wieder aufzunehmen. Allein im Jahr 2020 werden rund eine Milliarde Dollar aus dem US-Haushalt für diese Projekte bereitgestellt. Wie ist Russland zum Marktführer im Bereich Hyperschallwaffen geworden? Warum ist kein einziges Raketenabwehrsystem der Welt in der Lage, russische Raketenangriffe abzuwehren? Darüber erzählt das Programm „Unbekannte Geschichte“ („Неизвестная история“) mit Moderator Boris Ryschow auf REN TV!
Fünfmal schneller als die Schallgeschwindigkeit
Aufnahmen des Raketenstarts vom Atom-U-Boot „Jasen-M“ (russische „Ясень“, deutsche „Esche“) haben das US-Militär besorgt gemacht. Das Pentagon befürchtet, dass U-Boote dieses Typs bald mit einer geheimen Hyperschallwaffe ausgestattet werden — der Anti-Schiff-Rakete „Zirkon“.
„Keine Flotte, sogar die stärkste Flotte der Welt, kann auf unsere Zirkon-Rakete reagieren, weil sie zweieinhalb Mal schneller ist als alle aktuellen Marschflugkörper“, kommentiert der Militärexperte, Kandidat der Geschichtswissenschaften Ivan Konovalov.
Hyperschall sind die Raketen, die fünfmal schneller als die Schallgeschwindigkeit fliegen können. Die Eigenschaften von „Zirkon“ sind noch geheim, aber es ist bekannt, dass die Fluggeschwindigkeit dieser Rakete während der Tests 9 Tausend Kilometer pro Stunde überschritten hat – das sind mehr als zweieinhalb Kilometer pro Sekunde.
Der größte Teil des Weges überwindet die Zirkon-Rakete in einer Höhe von 30 bis 40 Kilometern, und wenn sie zum Ziel fliegt, sinkt sie und manövriert in einer Rekordhöhe von nur fünf bis zehn Metern. Dies ist toter Winkel für die Luftverteidigungssysteme von Schiffen. Neue Waffen sind außerdem aufgrund des Mangels an Sprengstoff im Sprengkopf schwer zu zerstören.
„Der Sinn des Hyperschalls besteht darin, Objekte mit kinetischer Energie zu treffen. Das heißt, die Rakete muss nicht einmal mit einem Kampfkopf ausgerüstet werden, weil sie bei dieser Geschwindigkeit jedes Ziel vernichtet“, erzählt Ivan Konovalov.
„Zirkon“ ist eine Waffe der Marine. Das Flugbereich einer solchen Rakete beträgt mindestens tausend Kilometer. Für die Luftfahrt wurde ein spezielles System „Kinschal“ entwickelt. Der Einsatzbereich ist doppelt so groß und die Fluggeschwindigkeit ist zehnmal so hoch wie die Schallgeschwindigkeit.
„Eine spezielle Beschichtung ermöglicht es, ultraschnelle Körper in einer Umgebung, die von wissenschaftlichen und technischen Experten als Plasmakokon bezeichnet wird, auch im kontrollierten Modus zu bewegen“, erklärt der Militärexperte, Kapitän zur See der Reserve, Andrej Schaligin. Im Plasmakokon kann sich die Rakete auf Temperaturen über 2000 Grad erhitzen. Ohne die neuesten hitzebeständigen Materialien würde die „Kinschal“ einfach in der Atmosphäre verglüht.
Flugzeug als erste Stufe
Die MiG-31 ist der schnellste Serienabfangjäger der Welt. Seine Fluggeschwindigkeit beträgt 3400 Kilometer pro Stunde. Das Flugzeug wurde speziell für den Start der „Kinschal“ modernisiert. In der Tat dient es als die erste Stufe und bringt die Munition auf eine Höhe von 12 bis 15 Kilometern, wo der Start stattfindet.
„Sehr hohe Geschwindigkeit. Dieser Komplex ist für alle bestehenden Raketenabwehrsysteme unverletzbar. Die Möglichkeit des Manövrierens, der Umgehungsbewegung von Zonen mit effektiver Luftverteidigung, ein scharfer Aufstieg vor einer Bekämpfung und einem Sturzflug vom Höhenteil der Flugbahn fast senkrecht nach unten ermöglicht es dem ballistischen Komplex, Ziele garantiert zu treffen“, sagt Andrej Schaligin.
Seit 2017 sind zehn MiG-31-Flugzeuge mit den Kinschal-Raketen an Bord in Südrussland im Einsatz. Die USA haben 2019 mehr als 60 Millionen Dollar für die Entwicklung einer ähnlichen Rakete ausgegeben. In diesem Jahr wird das Pentagon weitere 32 Millionen bereitstellen. Laut Steve Walker, Direktor der DARPA (Organisation für Forschungsprojekte der Verteidigung), werden die nächsten Flugtests jedoch frühestens in drei Jahren stattfinden. Der Militärexperte Juri Knutow ist sich sicher:“Dies deutet im Allgemeinen darauf hin, dass wir in Bezug auf Technologie fast alle Länder der Welt überholt haben. Und nicht für ein paar Jahre, sondern vielleicht um 15-20 Jahre“.
Fake oder echte Rakete?
Die vollständig modernisierte interkontinentale ballistische UR-100-Rakete bringt die geheimste russische Waffe, den Kampfblock „Avangard“, in die Atmosphäre. Bei den letzten Tests gewann er eine Geschwindigkeit von mehr als 30.000 Kilometern pro Stunde und wurde im Dezember letzten Jahres in die Bewaffnung aufgenommen.
„Die Amerikaner haben entschieden, dass es ein Werbe-Fake ist. Aber dieses Fake wurde kürzlich widerlegt, als wir eine interkontinentale ballistische Rakete starteten, auf der sich gerade der Hyperschallblock „Avangard“ befand. Er hat das Ziel in Kamtschatka mit hoher Präzision getroffen“, erzählte der militärische Experte Yuri Knutow.
Die USA haben es bisher nicht geschafft, Hyperschallwaffen zu entwickeln. Amerikanische Konstrukteure dachten, dass es unmöglich ist, die Rakete aufgrund einer Plasmawolke, die den Kampfteil der Rakete während des Fluges umhüllt und alle Signale blockiert, mit Hypergeschwindigkeit zu steuern.
Im Jahr 2011 wurde das Analogon der russischen „Avangard“, das amerikanische Projekt Falcon HTV-2, nach drei fehlgeschlagenen Tests eingestellt. Um sich zu rehabilitieren, plant das Pentagon, Hunderte von kompakten Satellitenkörpern in den Orbit zu bringen, die russische Hyperschallraketen entlang der Wärmesignatur verfolgen werden. Das Nachführung-Netzwerk soll bis 2030 eingerichtet werden. US-Satellitenkörper können den Start nur fixieren. Das Pentagon wird Abfangsysteme von Hyperschallraketen auf absehbare Zeit nicht haben.